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Photo by Diego Ornelas-Tapia on Unsplash
Für die einen ist es Krach, für die anderen die wahrscheinlich schönste Nebensache der Welt: Metal. Das womöglich vielseitigste Musikgenre überhaupt mit nur 100 Platten adäquat abzubilden, ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Einen Versuch war es uns trotzdem wert! Dabei haben wir uns um einen halbwegs ausgewogenen Mix der verschiedenen Spielarten bemüht und zudem der Regel unterworfen, jede Band nur einmal auftauchen zu lassen… was uns zumindest beinahe gelungen wäre. Wem die doppelte Ehrung zuteil wurde und welche Platten unserer bescheidenden Meinung nach zu den Sternstunden des Genres gehören, verrät die nachfolgende Liste. Übrigens ist sie ausdrücklich nicht als konkrete Rangordnung zu verstehen – Zusammenstellungen dieser Art sind ohnehin schon streitbar genug!
(c) WEA International Inc.
Mit dem Debüt „When Dream and Day unite“ war Dream Theater in den ausgehenden Achtzigern wahrlich kein Traumstart vergönnt: Sänger Charlie Dominici verließ die mit ihrem Label unzufriedenen US-Amerikaner nach der wenig beachteten Veröffentlichung des Albums schnell wieder. Nicht unbedingt die besten Voraussetzungen für einen Meilenstein… was „Images and Words“ umso beeindruckender macht! James LaBrie übernahm die vakante Stelle am Mikrofon und hinterließ genau wie seine sagenhaft versierten Mitmusiker einen bleibenden Eindruck. Filigrane Vielseitigkeit, vertrackte Arrangements und ein scheinbar müheloser Wechsel zwischen verschiedensten Stilen wurden hier als Trademark der Gruppe etabliert; zudem ist mit „Pull me under“ der dank Airplay bekannteste Song der Bandgeschichte als bärenstarker (und unvermittelt endender) Opener enthalten.
(c) Warner
Ende der Achtziger gehörten die Briten von Carcass zur Speerspitze der Grindcore-Bewegung. Dass sich die Band anschließend für einen zugänglicheren Sound entschied, ist also unbedingt in Relation zu sehen – extremer hätte es schließlich kaum noch kommen können! Nachdem das seinerseits grandiose „Necroticism – Descanting the Insalubrious“ (1991) bereits deutlich melodischer ausfiel, setzte „Heartwork“ den Weg mit kompakteren Stücken entschlossen fort: „Carnal Forge“ oder „No Love lost“ deuteten auf den polarisierenden Mix aus Death Metal und bissigem Rock-Spirit hin, den Carcass auf „Swansong“ (1996) formvollendet präsentieren sollten; „Blind bleeding the Blind“ oder der Titeltrack hingegen hatten immensen Einfluss auf die Entwicklung des Melodic Death Metal. Ein Satz, der nicht wenigstens ohne würdigende Erwähnung von At the Gates‘ „Slaughter of the Soul“ (1995) geschrieben werden will!
(c) Sony Music Entertainment
Dass man den Aufnäher zu „British Steel“ auf gefühlt jeder dritten Kutte erblickt, kommt nicht von ungefähr: Die New Wave of British Heavy Metal türmte sich zu Beginn der Achtziger gerade besonders mächtig auf, als die Briten ihren Anspruch auf eine Rolle als Vorreiter mit ihrem sechsten Studiowerk meterdick unterstrichen haben. Dazu setzte die Band um den zu diesem Zeitpunkt bereits in Lederkluft auf die Bühne rollenden Rob Halford gezielt auf griffigere Songs ohne allzu ausladende Spielereien – ein Ansatz, dem wir unverkennbare Hits wie den super-eingängigen Rocker „Breaking the Law“, die Hedonisten-Hymne „Living after Midnight“ oder das wie fürs Stadion geschaffene „United“ verdanken!
(C) 1994 Voices Music & Entertainment
Wenige Alben sind so untrennbar mit ihrer Geschichte verknüpft wie das Full-Length-Debüt dieser norwegischen Wegbereiter: Bei Erscheinen war der ursprüngliche Sänger Per Yngve „Dead“ Ohlin längst durch seine eigene Hand gestorben, Gitarrist Øystein „Euronymous“ Aarseth umgebracht worden und Bassist Varg Vikernes deshalb in Haft. Vorher jedoch schufen sie gemeinsam einen Klassiker, der bis heute durch seine finstere Atmosphäre fasziniert! Genretypisches Vollgas und vom Rock beeinflusste Riffs wurden vorher und nachher nie wieder so urwüchsig miteinander verwoben. Neben dem enorm einflussreichen Spielstil von Bandkopf Euronymous ist das ebenso dem teils virtuosen Geprügel von Ausnahmedrummer Jan Axel „Hellhammer“ Blomberg und Attila Csihar geschuldet – seine regelrecht entmenschlicht anmutende Gesangsperformance dürfte ganz im Sinne seines Vorgängers sein.
(c) WEA International Inc.
Selten haben ein Plattencover und die Musik, die sich dahinter verbirgt, eine schlüssigere Einheit ergeben: Nach ihrer mit „Cowboys from Hell“ eingeleiteten Neuausrichtung waren die vier US-Amerikaner von Pantera bestrebt, die Messlatte für kompromisslose Aggression mit dem Nachfolger noch höher zu legen. Und wer würde ihnen anhand einer Platte, die Granaten wie „Mouth for War“, „Fucking Hostile“, „A New Level“ oder „Rise“ beinhaltet, bitteschön den Erfolg absprechen wollen? Dimebags innovative Gitarrenarbeit, Phil Anselmos ungefilterte Wut und eine lückenlos tighte Rhythmusfraktion aus Rex Brown und Vinnie Paul haben uns mit „This Love“ und insbesondere „Walk“ zudem weitere Nummern beschert, ohne die seitdem kein Abend in der Metal-Disco komplett ist!
(c) Sony Music Entertainment
Nach seinem Ausstieg bei Black Sabbath waren sich viele Menschen nicht zuletzt aufgrund seiner Drogen- und Alkoholprobleme sicher, dass Ozzy Osbournes einst so aussichtsreiche Karriere am Ende sei. Gerade deshalb erzählt das Solodebüt des Prince of Darkness eine der erfolgreichsten Comeback-Geschichten der gesamten Metal-Historie, die maßgeblich durch Randy Rhoads ermöglicht worden ist: Das viel zu früh verstorbene Jahrhundert-Talent lieferte dem abgehalfteren Frontmann neben einem dringend benötigten Energieschub auch frische Riffs in rauer Menge, wovon allein Hits wie „Crazy Train“ oder „Mr. Crowley“ eindrucksvoll zeugen. Traurige, aber mythosbildende Berühmtheit erlangte zudem die Gerichtsverhandlung zu „Suicide Solution“, bei der Osbourne die Verantwortung für den Selbstmord eines Fans angeheftet werden sollte.
(C) 2011 Relapse Records Inc.
Inmitten gestandener Größen sei zumindest ein handverlesener Geheimtipp gestattet: Die US-amerikanischen Christian Mistress mögen nicht zu den erfolgreichsten oder bekanntesten Bands des Genres zählen, haben mit ihrem Zweitwerk ungeachtet dessen allerdings eine Perle von Album veröffentlicht: Ohrwürmer wie „Over and Over“ oder „Black to Gold“ packen die Hard-Rock-Keule aus, während „All Abandon“ oder „There is Nowhere“ unter NWOBHM-Fans für Freudensprünge sorgen sollten und „Pentagram & Crucifix“ oder der Titelsong eine kleine Prise Doom einstreuen. Skip-Kandidaten werden erfolglos gesucht, was neben satten Riffs und doppelten Lead-Gitarren auch der organischen Old-School-Produktion und Frontfrau Christine Davis zu verdanken ist, die sich mit nachempfindbaren Texten und einer angenehm rauen Stimme direkt in die Seele singt!
(C) 2010 Relapse Records Inc.
Zeit seines leider viel zu kurzen Lebens war Death-Vordenker Chuck Schuldiner darum bemüht, künstlerisch nie allzu lang auf der Stelle zu treten. Die schon mit „Spiritual Healing“ (1990) eingeleitete Abwendung vom brutalen Death Metal der ersten beiden Alben trieb er auf dem Nachfolger „Human“ besonders entschieden voran: Schuldiner nahm unter anderem die tatkräftige Hilfe von Sean Reinert (Drums) und Paul Masvidal (Gitarre) von Cynic in Anspruch, mit denen knüppelharte Passagen, progressive Elemente und introspektive Texte versiert wie nie zuvor unter einen Hut gebracht werden konnten! Auch aus kommerzieller Sicht erwies sich „Human“ als erfolgreiche Angelegenheit, was nicht zuletzt dem mit einem Musikvideo ausgestatteten „Lack of Comprehension“ geschuldet sein dürfte.
(c) Warner Music Group Company
Nur, damit wir uns nicht falsch verstehen: In den glorreichen Achtzigern haben die Briten von Iron Maiden fast durchgängig am Rande der Perfektion operiert, so dass die Frage nach dem besten Album der Band gelinde gesagt knifflig ist. Warum also fällt die Wahl auf „Powerslave“? Vielleicht, weil es in Form von „Aces High“ und „2 Minutes to Midnight“ mit einem ikonischen Hit-Duo beginnt, für das andere Gruppen töten würden? Oder weil der Titelsong und ganz besonders der „Rime of the Ancient Mariner“ sinnbildlich für das komplex begleitete, packende Storytelling von Bruce Dickinson und co. sind? Womöglich wegen der dazugehörigen „World Slavery“-Tour, die Metal-Fans mit „Live after Death“ das großartigste Live-Zeugnis aller Zeiten beschert hat? Es gäbe da ein paar Argumente.
(c) Universal International Music
In Anbetracht der (zu Unrecht) verschmähten Spätneunziger-Werke, des Napster-Streits, des Blechtonnen-Sounds von „St. Anger“ oder des verlachten „Lulu“-Ausflugs scheinen manche Menschen zu vergessen, wie meilenweit Metallica ihren Kollegen in den Achtzigern eigentlich voraus waren. Während auch „Ride the Lightning“ (1984) oder das progressivere „… and Justice for all“ (1989) einen Listenplatz wert wären, führt kein Weg am Puppenmeister vorbei: Hetfield, Hammett, Burton und Ulrich hatten ihr Zusammenspiel hörbar perfektioniert und schossen kreativ aus allen Zylindern, was sich in anbetungswürdigen Wutbrocken wie „Battery“ oder dem furiosen „Damage Inc.“ genauso niederschlug wie im Titeltrack und dem Anti-Kriegs-Kracher „Disposable Heroes“. Die musikalische und inhaltiche Reife, mit der vier Typen in ihren frühen Zwanzigern hier zu Werke gingen, wird noch lange verblüffen!
Outro
Wie eingangs angedeutet könnte man diese Liste noch um viele weitere Plätze erweitern und dennoch längst nicht alle Alben unterbringen, die sich eine entsprechende Nennung redlich verdient hätten. Es wäre uns allerdings Ehre und Freude zugleich, wenn wir insbesondere Neueinsteigern ins Genre mit unserer Liste ein paar aufregende Anspielpunkte zur Hand geben konnten. Lasst Euch versichern: Es gibt noch jede Menge mehr zu entdecken!
Lisa Borch entdeckte früh ihre Leidenschaft für Musik und Filme und studierte Kommunikationswissenschaften und Medienkultur. Seit 2016 ist sie als Musik- und Filmredakteurin bei popkultur.de tätig und teilt gerne ihre Meinungen und Empfehlungen mit ihren Lesern.