The Harder They Fall: Die Filmkritik zum Netflix-Western

„The Harder They Fall“, unter der Regie von John Jeymes Samuel, erfindet die Mythologie des Grenzlandes und der Gesetzlosen in einem von Schwarzen dominierten Umfeld neu.

Wie unsere Rezension von „The Harder They Fall“ zeigen wird, ist der Film mit Idris Elba und Jonathan Majors in den Hauptrollen eine Interpretation eines bekannten Themas, aber auch eine Synthese der Leidenschaften des in London lebenden John Jeymes Samuel, eines Filmemachers, Songwriters und Musikproduzenten. „The Harder They Fall“ ist ein Western, der die Geschichte neu schreibt, indem er reale Figuren in eine fiktive Handlung integriert, die sich der Filmemacher und der Drehbuchautor Boaz Yakin ausgedacht haben.

The Harder They Fall“ ehrt die Afroamerikaner, die 25 Prozent der Bevölkerung zur damaligen Zeit ausmachten, aber von revisionistischen Filmen und konservativen Filmemachern ignoriert wurden. John Jeymes Samuel lässt echte Geschichten wieder aufleben, wie die von Nat Love, einem ehemaligen Sklaven, der zum Cowboy wurde, von den Banditen Rufus Buck und Cherokee Bill und von Stagecoach Mary oder Black Mary, der ersten afroamerikanischen Postbotin in den Vereinigten Staaten. Die häufige Verwendung von Liedern, die typischerweise von Edi Gathegi und Jonathan Majors‘ Charakteren vorgetragen werden, erinnert an die Melodien der afroamerikanischen Sklaven auf den Baumwollplantagen der Südstaaten, von denen die Protagonisten abstammen.

Der Film erfindet die schillernde Western-Ästhetik neu

THE HARDER THEY FALL (L to R): REGINA KING as TRUDY SMITH, IDRIS ELBA as RUFUS BUCK, LAKEITH STANFIELD as CHEROKEE BILL. CR: DAV
(c) DAVID LEE/NETFLIX 2021
In „The Harder They Fall“ erschafft Jeymes Samuel einen komplett schwarzen Kosmos. Weiße sind nur in wenigen Szenen zu sehen und spielen eine Nebenrolle.

Die Schwarzen werden von den beiden Hauptfiguren der Geschichte in zwei Kategorien eingeteilt (gut und böse, wobei die Unterscheidung nicht so offensichtlich ist, wie sie scheint): Nat Love (Jonathan Majors) und Rufus Buck (Idris Elba). Nat Love, ein Gentleman-Bandit, will Rache an denen nehmen, die seinen Vater ermordet haben. Rufus Buck ist ein einzigartiger Charakter, der mit seiner Bande, zu der auch der Cherokee Shooter Bill (LaKeith Stanfield) und die temperamentvolle Trudy Smith (Regina King) gehören, eine waghalsige Flucht antritt.

Die Handlung, die Jeymes Samuel um die grundlegenden Themen des Genres webt, ist geradlinig, aber nicht ohne Überraschungen. Vor allem sein stilvoller und frecher Regiestil berührt das Publikum. Samuel hat eine unverwechselbare Ästhetik. Die Menschen werden in schiefen Einstellungen und Nahaufnahmen gezeigt, und Duelle und Schießereien werden als Studien künstlerischer Virtuosität in den Film geschnitten (der Film beginnt mit einem Song von Jay-Z, der den Film zusammen mit James Lassiter produziert hat). Der Banküberfall, Marys Auftritt auf der Bühne und Rufus Bucks Flucht sind ästhetisch beeindruckend und hinterlassen beim Zuschauer den Eindruck, dass die visuelle Darstellung über den Inhalt triumphiert. Ein Gefühl, das bis zum Schluss anhält.

The Harder They Fall ist eine Hommage an die Vergangenheit, die gleichzeitig in die Zukunft blickt

THE HARDER THEY FALL (C): RJ CYLER as JIM BECKWOURTH in THE HARDER THEY FALL Cr. DAVID LEE/NETFLIX © 2021
(c) DAVID LEE/NETFLIX
Der Western-Film umspannt Jahrzehnte der Geheimhaltung und des Elitismus mit einer explosiven, auffälligen Verpackung. Jeymes Samuel setzt keine Grenzen für seine Besetzung, zu der einige der besten schwarzen Schauspieler/innen gehören. Auch die Laufzeit des Films kennt scheinbar keine Grenzen, die zwei Stunden beträgt.

Der Filmemacher hat keine Angst vor Monotonie und lässt sogar einige blutige und gewalttätige Episoden zu. Das ist alles Teil seiner postmodernen Western-Neuinterpretation, die auf Quentin Tarantino, Bruno Corbucci und Blaxploitation anspielt. Und das alles, ohne die Frische oder die Komik zu verlieren.

In der Rolle des Nat Love kann Jonathan Majors seinen Charme und sein Feingefühl unter Beweis stellen. Ein starker Anführer für seine Gang und ein treuer Liebhaber für Zazie Beetz‚ Mary Fields. In einem herzzerreißenden Finale spielt Idris Elba als Rufus Buck seine tollen Fähigkeiten als Schauspieler voll aus. Regina King ist in jedem Moment der Mittelpunkt, auch bei den Kämpfen. Danielle Deadwyler ist hervorragend in der Rolle der androgynen Cuffee. Bemerkenswert ist auch die Rolle des Veteranen Delroy Lindo als kompetenter Sheriff.

Was verursacht das Böse? Kann unsere Geschichte unsere Zukunft prägen? Wird Vergeltung unsere Dämonen befriedigen? „The Harder They Fall“ versucht, diese Fragen zu klären, indem er eine Mythologie (neu) konstruiert und dabei den eigentlichen Zweck des Kinos beibehält: zu unterhalten. Daher werden die Figuren in Jeymes Samuels Werk oft karikiert, aber das Spektakel ist das, was zählt. Der Mittelteil ist weniger inspiriert als der Anfang und der Schluss. Ein paar Kürzungen in den langatmigen Momenten hätten dem Endergebnis gut getan, das auf jeden Fall bemerkenswert ist.

Fazit:

THE HARDER THEY FALL: REGINA KING as TRUDY SMITH and LAKEITH STANFIELD as CHEROKEE BILL in THE HARDER THEY FALL Cr. DAVID LEE/NE
(c) DAVID LEE/NETFLIX
In „The Harder They Fall“ zeigt Jeymes Samuel seine Fähigkeit, einen traditionellen Western auf eine düstere Art und Weise neu zu interpretieren. Und das alles, um den Mythos der afroamerikanischen Helden zu ehren, die von reaktionären Konservativen im Film sträflich ausgeschlossen wurden. Ein inspirierender und stilvoller Film mit einer hervorragenden Besetzung, der eine Geschichte von Gut und Böse erzählt, in der nichts so ist, wie es scheint.

The Harder They Fall
Bewertung des Redakteurs:
4

Die Handlung von „The Harder They Fall“:

Als der Gesetzlose Nat Love (Jonathan Majors) erfährt, dass sein Feind Rufus Buck (Idris Elba) aus dem Gefängnis entlassen wird, trommelt er seine Bande zusammen, um Rufus aufzuspüren und Rache zu üben. Seine Mitstreiter in diesem selbstsicheren, modernen Western sind seine einstige große Liebe Stagecoach Mary (Zazie Beetz), seine rechte und linke Hand – Hitzkopf Bill Pickett (Edi Gathegi) und Revolverheld Jim Beckwourth (R.J. Cyler) – sowie ein überraschender Widersacher, der sich als Verbündeter erweist. Rufus Buck hat allerdings seine eigene gefürchtete Crew, darunter die berüchtigte Trudy Smith (Regina King) und Cherokee Bill (LaKeith Stanfield), und sie verstecken sich vor nichts und niemandem.

Deutscher Trailer zu „The Harder They Fall“:

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Andreas Engels, passioniert für Filme und Serien seit seiner Jugend, studierte Filmwissenschaften an der Universität Mainz und arbeitet seit 2018 als freier Filmredakteur bei popkultur.de. Er ist eine wichtige Stimme in der Branche und bringt umfangreiche Erfahrungen und Fachkenntnisse mit.

E-Mail: andreas.engels@popkultur.de

5 Gedanken zu „The Harder They Fall: Die Filmkritik zum Netflix-Western“

  1. Was denn noch alles? Weibliche Rambo’s mit Endlosmagazin? Als ob das nicht schon genug wäre… Aber der Gender und Diversitätswahn kennt keine Grenzen… Im alten Amerika dominieren die Schwarzen und diskriminieren die Weißen. Frauen wollen keine Frauen mehr sein und agieren wie Männer. Schwarze wollen sich von der Apartheid distanzieren geben sich im Film aber wie Weiße Sklavenhalter. Diese Filmkultur ist unerträglich geworden. Ich bleibe lieber beim Original und sehe mir lieber John Wayne oder „Dirty Harry“ an.

  2. Noch ein Western den keiner braucht. Hatte bei dieser Besetzung viel erwartet und wurde stark enttäuscht. Schwächen in der Handlung sind das geringste was an diesen Film zu kritisieren ist. Man nimmt einigen Schauspieler*innen die Rolle nicht ab. Teilweise erinnert die Aktionchoreographie an einen 70iger Jahre Movie. Max. 2,5 von 5

  3. Einige bekannte Schauspieler wie Idris Elba versprachen eigentlich einen brauchbaren Film, aber dabei heraus kam eine der größten Enttäuschungen der letzten Jahre. Nicht nur, dass der Film Geschichtsklitterung der schlimmsten Sorte betreibt, indem er Schwarze nicht nur zur alles dominierenden, sondern quasi zur einzig relevanten Bevölkerungsgruppe der USA des 19. Jahrhunderts stilisiert, er ist schlicht und einfach schlecht und langweilig. Die Handlung wurde aus zig andern Western lieblos zusammengeschustert und eine sinnvolle oder gar unterhaltsame Geschichte mit Spannungsbogen sucht man vergeblich. Der Film ist statt dessen krampfhaft bemüht die schwarzen Darsteller möglichst „cool“ und „überlegen“ wirken zu lassen, was aber aufgrund des an den Tag gelegten Gehabes und Ghettoslangs vor allem künstlich und albern wirkt. Dazu kommt eine völlig deplatzierte Filmmusik, die eher in ein Reggae Musical als in einen Western gepasst hätte, sowie eklatante Schwächen bei der Ausstattung und Requisite, bis hin zu Kostümen und Waffen, die wie aus einem Comic entlehnt wirken. Am Ende fragt man sich die ganze Zeit nur noch, ob der Film jetzt eine unfreiwillig unkomische Western Persiflage, oder ein unfreiwillig komischer Actionfilm sein soll. Jedenfalls geht der Regisseur mehr als respektlos mit der großen Geschichte des Western Genres um und als Anwärter für die Goldene Hinbeere des schlechtesten Films des Jahres ist The Harder They Fall mein haushoher Favorit!

  4. Man merkt, dass die Kommentatoren hier die Botschaft des Films nicht verstanden haben und lieber Geschichtsunterricht wollen. Mutiger, toller Film und tolle Schauspieler, die in den Schlüsselszenen wahnsinnig viel Esprit versprühen. Könnte mir keine bessere Besetzung vorstellen.

  5. Ich muss Menschenfreund zustimmen – die vorangegangenen Kommentare enttarnen lediglich die white fragility der Verfasser:innen.

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