Eigentlich simple Hausmannskost: Oomph Oomph Oomph Oomph und doppelt so schnelle Drummachine-Hihat-Beats im 4/4-Takt, die bei etwa 110 bis 130 Schlägen in der Minute aufgekocht werden. Abgemischt vorzugsweise mit einer dunklen weiblichen Vokalstimme, die eingängige Botschaften der Liebe in einem hypnotischen Chorus wiederholt. Dieses einfache, abgespeckte Erfolgsrezept, „House-Musik“ genannt, wurde Anfang der 90er als US-Import in die Vereinigten Staaten von Europa infiltriert – zunächst kaum unterscheidbar von seiner Abart Eurodance –. Heute verbleibt House als das Genre, das in etlichen Variationen und Aberrationen des Disco-Dancefloors alles vorzuzeichnen vermochte, was später durch Acid, Trance und Techno fortgesetzt wurde.
Liebe oder leave it: Popkultur.de präsentiert euch die 100 besten House Songs.
(Eine Spotify-Playlist findest du am Ende des Artikels.)
1. ROBERT MILES: Children
Welchen Track von Robert Miles Debütalbum Dreamland sollte man wohl auskoppeln, um ihn auf Platz 1 dieser Liste zu charten? Weil sich dessen Opener gleich 5 Millionen Mal verkauft hat und der ganzen D-A-CH-Region schon bis März 1995 gehörig zu Kopf gestiegen war, entscheiden wir uns hier einfach mal für Children. Miles komponierte das Stück übrigens, damit alle feiernden Kinder auch wirklich sicher nach der Party wieder nach Hause kommen. Gute Sache, oder?
2. GURU JOSH : Infinity
Wenn ein ausgebildeter Zahnarzt den Bohrer fallen lässt, um sich den Rest seines Lebens mit dem Abmischen von Acid-House-Sounds auf Ibiza zu beschäftigen und dabei Tracks wie Infinity und Whose Law (Is It Anyway?) (1990) zustande bringt, darf er in einer Liste der bedeutendsten House-Hämmer natürlich nicht fehlen. Nachdem er in Ibiza zunächst vor allem für reichlich Promo zum Café del mar sorgte, fertigte er seit 2006 3-D-Glaskunstwerke unter dem Namen Louie Fabrix. Auch die wurden international abgenommen und fanden weithin die Anerkennung der Kunstkritik. Unerklärlich bis heute, warum der Guru kurz nach Heiligabend 2015 auf Ibiza Suizid begangen hat.
3. DE’LACY : Hideaway
Wie TimeOut richtig zusammenfasst: „Wenn Ihr Track von jedem DJ und seinem Hund neu gemischt wird, bedeutet dies nicht unbedingt, dass das Original ein Klassiker ist.“ Ein Klassiker ist aber Hideaway, der Track des US-House-Acts De’Lacy. Das Original von 1995 – sowie die Remixe, Deep Dish (Dubfire und Sharam) von 1995 und Nu-Birth von 1998 – erreichten jedes Mal die Spitzen der Charts. Alle führenden DJ-Magazine listen Hideaway unter den Top 100 der besten Dance Singles aller Zeiten. Fast überflüssig zu sagen, dass dieser Track keinesfalls mit dem gleichnamigen „Hundehaus&ldquob-Sampler der Miss Universe Canada-Kandidatin Kiesza zu verwechseln ist, deren weiterer Stolz es nur bleibt, die Farben der Royal Navy tragen zu dürfen.
4. THE COURSE : Ready Or Not
Der Weg vom ersten Rehearsel ins Studio scheint für Musiker auf der Insel ein kürzerer zu sein. Kaum kam Todd Terry Missing vom britischen Duo Everything but the Girl zu Ohren, machte er den straighten, Vega-liken Song von deren Album Amplified Heart mit seinem Remix zu einem 3 Millionen Mal verkauften, tanzbaren E-Chartbreaker. Auch der UK/NL-Act The Course erkannte sofort das Dance-Potenzial des Fugees Hits Ready or Not und mischte es knapp drei Monate nach dessen Erscheinen zum Jahreswechsel 96/97 zu einem Top-5-Hit auf.
5. KLF : 3 a.m. eternal
Wer KLF mit EMF verwechselt, sollte sich vielleicht einmal fragen, wie spät es ist. Aber wenn es ganz sicher Liebe ist, dann ist es höchstwahrscheinlich für immer und das spätestens um 3.a.m. eternal. Eigentlich ist es ja auch einfach zu merken: KLF (The Justified Ancients of Mu Mu) waren die Briten, für die Time eben nicht gleich Money war. Bill Drummond und Jimmy Cauty wagten es tatsächlich, eine ganze Million Pfund, ihre gesamten Einnahmen als größter internationaler Single-Act aus den Jahren 1991-1994 (Anmerkung: nach Steuern!) zu verbrennen, um den Kreislauf des Geldes kaltblütig für einen kurzen Augenblick zu unterbrechen. Eternal.
6. KENNY DOPE AND THE BUCKETHEADS : The Bomb
Sind es nun Street Sounds oder Bomben, die Kenny Dope um den Schädel fliegen? Mit der Punchline ;„These sounds fall into my mind“ und ihrem The Bomb-Beat haben die Eimerköpfe jedenfalls eine Rakete abgeschossen – oder immerhin so etwas wie den Nagel auf den Kopf getroffen. Meinte wahrscheinlich auch der jemenitische Ex-Boxweltmeister Prinz Naseem Hamed (featuring the Kaliphz, Walk Like a Champion), der gerne vorsorglich unter dem Sirren von The Bomb in den Ring einzog, um die Fäuste schwirren zu lassen. Was gestern noch ein Hit sein wollte, musste es ab 1995 endgültig mit Kenny Dopes Bombe aufnehmen. Einschlag auf Platz 4 der Charts in Frankreich 1995.
7. DJ JEAN : The Launch
Nederhouse hat seinen eigenen Kult-DJ: DJ Jean war jahrelang Resident-Tonscheiben-Turner im legendären iT-Klub in Amsterdam. Selbst nachdem auch diesem Kult-Klub wegen angeblicher Baumängel die Konzession verloren ging, drehen sich für DJ Jean die Teller weiter. Er veröffentlicht drei und mehr Compilation-CDs pro Jahr. DJ Jean ist unter anderem Urheber der Tracks The Launch (Februar 1999) und Lift me up (2001).
8. THE HOUSE MASTER BAND THE RUDE BOY OF HOUSE : House Nation
Als die EG sich 1986 gerade um Spanien und Portugal erweiterte, träumten die House Master Boyz in Chicago lieber von einer House Nation. Später nahm die Zahl der Compilations unter gleichem Namen geradezu inflationär zu. Überhaupt wäre die Entstehung von House ohne die DJs rund um die US-kanadische Seenplatte wohl kaum denkbar. Detroits Techno-Don Kevin Saunderson darf darum in einer Liste bester House-Hits natürlich nicht fehlen. Mit Inner City (Good Life und Big Fun, 1988) legte er schon Mitte der 80er das Basement für die Folgejahre. Fünf seiner Singles charteten auf Platz 1 der US-Charts. Aus Chicago schlossen Ten City (von: Intensity) mit That’s the way love is auf. Weitere Ausbauten nahmen dann Aly-US 1992 mit ihrem Tiefgaragenhouse aus New Jersey vor. Die R&B-Sängerin Davina, ebenfalls Detroit, brachte den Soul ihrer Stimme in die Jungle-House-Rhythmen von Don´t you want it ein und Julie McKnight setzte die Tradition aus gutem alten Haus mit den Kings of Tomorrow bis ins 21. Jahrhundert fort.
9. ULTRA NATÉ : Free
Resident Advisor beschrieb Free als „einen absoluten Publikumsmagneten und einen unverzichtbaren Track für jeden House DJ, der nach etwas sucht, um eine Tanzfläche in Sekunden zu füllen.“ Korrekt. Bedankt euch bei DJ Little Louie Vega, der die Single als Erster in den Clubs auflegte und zu einer Househymne der freien Liebe erhob! Free eroberte sich die Nummer 1 in Italien, die Top Ten von Frankreich, Kanada, Irland, dem Vereinigten Königreich und erklomm mit Ultra Naté und einem infektiösen Gitarrenriff die US Billboard Hot 100. Wie anders sollen wir das Gefühl von Freiheit in und außerhalb von vier Wänden beschreiben?
10. HELLER & FARLEY PROJECT : Ultra Flava
Ultra Flava war der 96er Vocal-House-Smash des britischen Duos Heller und Farley Project. Nach dem großen Publikumserfolg des Remixes von Ultra Natés How Long in den Clubs vom Jahr 1994 und M People’s Open Your Heart im Jahr 1995 widmeten Pete Heller und Terry Farley der wuchtigen Vokalistin den Titel Ultra Flava, auch, wenn Ultra in dieser puren Instrumentalversion nicht zu hören ist. Höhepunkte waren die Chartplatzierungen auf Platz 22 der UK Singles Chart, der erste Platz der UK Dance Chart und Position 3 des US Hot Dance Music Billboard. Flavour? Gustaba!
11. MODJO : Lady (Hear Me Tonight)
Kometenartig fällt der französische Dancehall-Hit am 10. September 2000 auf Platz 1 der UK-Charts herab und überstrahlte dann auch die Tanzflächen weiterer sieben europäischer Länder. Übrigens ist es Yann Destagnol, nicht George Michael, der hier singt. George hatte zu dieser Zeit angebliche Drogenprobleme und brachte die Musikszene erst vier Jahre später mit Amazing wieder richtig ins Rollen.
12. BORIS DLUGOSCH : Never Enough
Für andere Künstler hat der Hamburger DJ Boris Dlugosch unter anderem Sing it back (Moloko, März 1999) und Horny (Mousse T. alias Mustafa Gundogdu, Mai 1998) produziert. Aber das ist nicht genug: Seine Remix-Compilation Running Back (zusammen mit Klaus Stockhausen) ist sein akustischer Rückblick auf die Geschichte des Sounds der Hamburger Diskothek FRONT (1983-1997). In ihrer Bedeutung für House ist die Location gerade noch mit der zu vergleichen, die der TRESOR für Techno und Berlin hatte. Zusammen mit Dlugosch gehört Herbert (l Hadn’t Known (I Only Heard)) zur Avantgarde der experimentellen Houseszene. Herbert, eigentlich Matthew Herbert, komponiert nicht nur House-Landschaften, er inszeniert House mit einem lange vergessenen gesellschaftskritischen Anspruch. Mit dem Album One Pig plus Videoinstallation begleitet er vom ersten Grunzen des Ferkels bei seiner Geburt bis zum Schmatzen der Gäste bei dessen Verzehr musikalisch das Leben eines Mastschweins.
13. KADOC : Nighttrain
Das Motiv der Locomotion, des Loops, der Hochbahnringbahnen von Detroit und Chicago und den Räderwerken der Railways, die sich scheinbar unstoppable immer weiterdrehen, greift auch Kadoc’s Track zurück. Im März 1996 fährt sein Nighttrain auf den Spuren von James Brown in den europäischen Tanzhallen ein.
14. GIGI D‘ AGOSTINO : Sweetly
Mit einem romantischen Italo-Intro wird Gigi d‘ Agostino, auch bekannt als Dottor Dag, Pionier des Mediterranen Progressive Dance über Nacht zum Eros Ramazotti des House. Mit seiner Single Sweetly, die im Februar 1996 veröffentlicht wird, wird die träumerische Melodie mit ihren konstanten Beats sechs Wochen lang in der niederländischen Chart-Single-Liste geführt. 1999 legt d‘ Agostino mit der EP Tanzen noch mal nach.
15. BOMFUNK MC’S : Freestyler
Auf der Schwelle zum Breakbeat bewegen sich die Renovierungsarbeiten, die Bombfunk MCs von Ende ’99 bis Anfang des Jahres 2000 am Fundament des House durchführen, um das Interieur des Anwesens dabei auf ein neues Niveau zu heben. Die Finnen hämmern mit rund 164 bpm auf die Gehörgänge ein, scratchen am Tapetenwechsel, sprengen das Dachstübchen und ebnen so noch unbetretene Wege durch das Gelände. Freestyler toppte die Charts quer über alle Kontinente.
16. STROMAE : Alors on danse
Der vorläufig letzte Dance-House-Track, der es in die Charts schaffte, krachte so richtig. Dem belgisch-ruandische Rapper Stromae gelang 2010 mit Alors on dance der Fünferpack: In Deutschland, Belgien, Holland, Österreich und der Schweiz erreichte der französischsprachige House-Chanson Platz 1. Rapper Kanye West regierte schnell und nahm seinen Remix in den USA auf. Gefühlt geil. Das Ganze, ohne dass den meisten jemals auffiel, dass der Beat einen Lick hat, der bezeugt, dass es ein explosiver Vulkan war, auf dem sie tanzten. Qui disait fatigue disait réveil.
17. TECHNOTRONIC : Pump Up The Jam
Während Mutti noch Marmelade einkocht, läuft 1989 in den meisten deutschen Haushalten noch das Radio im Dauerlauf. Bis es Blasen wirft: Pump Up The Jam, die haltbare Konserve der belgischen Produktion Technotronic samt Sängerin Ya Kid K, erscheint am 4. August 1989 – und hält einen ganzen kalten Winter lang warm: Von September bis April des Folgejahres behauptet der Track 29 Wochen lang seinen Spitzenplatz in den EU-Charts. Make my day!
18. ROBIN S : Show Me Love
Husten! – Hört ihr mich? Bei den Aufnahmen zu Show me Love hatte Robin S. sich wohl einen Virus eingefangen. In einem Interview von 2014 erklärte sie Folgendes: „Sie hören all diese Emotionen, weil ich Probleme hatte. Ich hatte die Grippe, als ich den Track aufzeichnete. Das ist, was du hörst – Frustration. Ich war nicht zu 100 Prozent gesanglich auf der Höhe, aber ich sagte mir, selbst wenn ich heiser bin, muss ich es tun.“ Ursprünglich wurde Show me Love 1990 von Champion Records veröffentlicht, erreichte den Höhepunkt seines Erfolgs dann aber in den Mainstreamcharts 1992 in der Remixversion von StoneBridge und Nick Nice. Hier reichte es für Platz 5 der Billboards 100 und Platz 6 der UK Singles Charts.
19. SAMIM : Heater
Heater, mit seinem für einen Euro-Dance-Track unkonventionellen Anklänge, beispielsweise ein kolumbianisches Akkordeon und traditionelle Hirtenrufe, gefiel vor allem in Holland, Belgien und Ungarn, wo der heiße Rhythmus im November 2007 die Temperaturen steigen, die Rohre knacken und das Haus schwitzen ließ. Der vom Schweizer Produzenten Samim (Samim Winiger) produzierte Track mit seinen unverkennbar lateinamerikanischen und World-Music-Einflüssen wurde sogar die Hungarian Numero Uno. Mama, vibrig!, eine Dekade nach Ecuador ist endlich der Heater da!!
20. FAITHLESS : God Is A Dj
Im gleichen Jahr, in dem Run DMC (It’s like that) die Clubs zu Zeremonien freigibt, erklärt die britische House-Unit Faithless die Dancehall zu ihrer Kirche. God Is a DJ ist ein progressiver House-Song, der im August ’98 als Lead-Single des Albums Sunday 8PM veröffentlicht wird. Die Single erreicht Platz 6 in Großbritannien und Platz 1 der Billboard Hot Dance Club Play. Nur noch übertroffen vom Erfolg, den Faithless 1995 mit Insomnia feiern konnte, das 2015 von Avicii als Version 2.0 wiederaufgelegt wurde.
Die Plätze 21-100 der beliebtesten House-Songs aller Zeiten:
House Spotify-Playlist:
Sicher weiß jeder selbst am besten, wie er es daheim am Schönsten hat. Wir haben hier nur versucht, am Putz zu kratzen, und erheben natürlich keinen Anspruch auf anderer Leute Hausrechte. Also: Schüttelt eure Matten, gemeint: Vorleger!, kehrt ruhig mal vor der eigenen Türe und get your jocks up!