Wenn du nach einem Kapitel in der Musikgeschichte suchst, das so wichtig oder so umstritten war wie der Punk, wirst du kaum ein anderes finden.
Es gibt so viele Subgenres und Ableger des Punk, dass es schwer war, eine Liste für diesen Artikel zu erstellen, vor allem, wenn man die Debatten darüber mit einbezieht, was eigentlich eine Punkplatte ist. Es ist unvermeidlich, dass es einige Bands nicht auf unsere Liste geschafft haben, aber in einem so großen und einflussreichen Genre wie dem Punk kann es nie genug Platz für alle auf der Liste geben.
Platz 1: London Calling – The Clash
Es fällt schwer an Punk zu denken, ohne sofort „The Clash“ im Ohr und vor dem geistigen Auge zu haben. Die Londoner Urgesteine der musikalischen Revolution gelten bis heute als Gründerväter des Punk. Das Album „London Calling“ wird von vielen Expert*innen als erstes Punk-Album überhaupt bewertet. Sozialkritik, Verzweiflung und der Wunsch nach Zerstörung triefen aus jedem Song und jeder Textzeile. Perfekt abgestimmte Instrumente und ein eingängiger Sound machen das Album auch zu einem Ohrenschmaus für all jene, die mit der Philosophie des Punk eigentlich gar nichts am Hut haben. So jedenfalls schreibt man Musikgeschichte, ob man will oder nicht. Böse Zungen behaupten gar, die eingängigen Rhythmen von „London Calling“ und die damit verbundene Popularität hätten maßgeblich dazu beigetragen, die Idee dieser politischen und kulturellen Revolution in die Welt hinauszutragen. Gerne gespielt wird das Album jedenfalls nach wie vor. Die Verwendung einiger Songs für Werbung und Filmindustrie trug das Ihre dazu bei, The Clash auch Jahrzehnte nach ihrer Auflösung am Leben zu erhalten.Anhören auf: Amazon Music*
Platz 2: Ramones – The Ramones
In einem Atemzug mit Punk und The Clash genannt werden müssen unbedingt The Ramones. Die Fans streiten sich bis heute, ob nicht doch sie diejenigen waren, denen die Musikwelt das Geschenk einer ganz neuen Art von Musik zu verdanken hat. Einige Kenner der Szene bewerten das Album als typischer für die Idee des Punk, da die Gitarrenriffe lauter und der Rhythmus insgesamt weniger gefällig rüberkommt als bei den Kollegen von The Clash.„Ramones“ jedenfalls geht auf ewig in die Musikgeschichte ein. Die Autodidakten spielten das Low-Budget Album in unglaublichen vier Tagen im Studio ein, sein Erfolg jedoch dauert bis heute an. Wer Musik liebt, die ohne Theorie und ohne mathematische Präzision einfach nur die Massen toben lässt, hat den Punk jedenfalls verstanden.
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Platz 3: Never Mind the Bollocks, Here’s the Sex Pistols – The Sex Pistols
Wenn typisch britisches Understatement der Welt den Stinkefinger zeigt, hört sich das Ergebnis ungefähr so an wie die Songs auf diesem legendären Album. Die ersten Reaktionen auf dieses Debutalbum aus dem Jahr 1977 waren Schock, Ernüchterung und der ständige Verdacht, die erste gecastete Boy-Band der Geschichte im Ohr zu haben, wenn auch eine ziemlich schmutzige Version davon.
Ein Kunstwerk ist „Nevermind the Bollocks” allemal, da es die Botschaft des Punk in sämtlichen Nuancen zusammengefasst auf eine einzige Schallplatte brachte. Ob man die Band rückblickend betrachtet als heroisch inszeniertes Kunstprojekt ihres findigen Managers Malcolm McLaren sehen darf, wirft keinerlei Schatten auf die großartige Musik, die darauf zu hören ist.
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Platz 4: The Stooges – The Stooges
Die Band rund um den charismatischen Iggy Pop blieb den meisten Menschen hauptsächlich wegen dessen skandalösen und provokanten Bühnenshows in Erinnerung. Das Album „The Stooges“ muss man isoliert davon betrachten, wenn man ihm musikalisch einigermaßen gerecht werden will. Die typischen, einprägsamen Gitarrenriffs und die Vielfalt der gesellschaftlichen Themen, die die Songs behandeln, werden bis heute als wichtiger Meilenstein des Punk-Rock gesehen. Kein Thema war Tabu, kein musikalisches Crossover – wie etwa der Einsatz einer Bratsche in „We will fall“ – war den Stooges zu gewagt.
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Platz 5: Horses – Patti Smith
Die Poetin unter den Punks mischte mit ihrem Erscheinen die Szene ganz ordentlich auf. Ihre lyrischen Texte, ihre musikalische Vielfalt, die tiefe, kraftvolle Stimme und ihre absolute Hingabe an ihr Publikum bei Live-Auftritten machten Patti Smith schon bald zu einer Legende des musikalischen Underground. Auch wenn sie sich später eher dem Rock verbunden zeigte, so bleibt „Horses“ ihr Vermächtnis an den Punk und an die Musikwelt gleichermaßen.
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Platz 6: Unknown Pleasures – Joy Division
Den Ritterschlag erhielt dieses Album mit Sicherheit durch die gnädige Platzierung im gestrengen Rolling Stone Magazine, welches ihm immerhin Platz 20 der 100 besten Debütalben sowie Platz 34 der 40 besten Punk-Alben zugestand. Für ein Debut-Album war das gar kein schlechter Schnitt, auch wenn „Unknown Pleasures“ inzwischen eher der Epoche des Post-Punk zugeordnet wird. Die Songs bestechen dennoch mit trotzigen, rauen Beats und Texten, die keinen Interpretationsspielraum an ihren Absichten zulassen.
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Platz 7: Marquee Moon – Television
Die New Yorker Punkband Television legte mit ihrem Debut-Album „Marquee Moon“ gleich einen Schnellstart hin, wenn auch eher in den Herzen der Fans als in den kommerziellen Verkaufscharts. Heute darf sich das Album an dem Ruf erfreuen, eines der einflussreichsten Rockalben aller Zeiten zu sein, das die Ära des Punk glanzvoll beendete und eine stilvolle Überleitung zur nächsten Dekade musikalischer Revolution schuf. Das Coverfoto dafür schoss übrigens niemand geringerer als der großartige Robert Mapplethorpe.
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Platz 8: Rattus Norvegicus – The Stranglers
Wer mitten in der Hochkultur des Punk sein Debut-Album „Wanderratte“ tauft, darf sich über durchschlagenden Erfolg nicht wundern. Das Album konnte sich innerhalb kürzester Zeit in alle nennenswerten Top 10-Platzierungen weltweilt katapultieren. Bis heute gilt „Rattus Norvegicus“ als eines der erfolgreichsten Punk-Alben aller Zeiten.
Die Single-Auskopplungen „Grip“ und „Peaches“ verhalfen der Band innerhalb kürzester Zeit zu Weltruhm, der in späteren Jahren immer wieder in Erinnerung gerufen werden konnte. Beide Songs fanden Jahre später noch Verwendung in Werbespots und als Soundtrack. Der typische Sound des Albums ist geprägt von fast nervtötenden Keyboardsequenzen, Hardcore-Gitarrenriffs und einem betäubenden Beat, der das Headbangen leider schwer vermeidbar macht, so uncool der Zeitgeist des Punk das auch finden mag.
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Platz 9: Smash – The Offspring
Wer es mühelos schafft, das musikalisch wohl wichtigste Relikt der späten 1970er-Jahre in den angepassten und braven 1990ern wiederauferstehen zu lassen, der hat Applaus verdient. The Offspring überzeugten mit ihrem dritten Studioalbum auch die schärfsten Kritiker, die Punk eindeutig als Zeitgeist längst vergangener Tage einstuften. Doch das Album war auch kommerziell äußerst erfolgreich. Die Single-Auskoppelungen „Self Esteem“, „Come out and play“ und das düstere, nahezu getrieben wirkende „Gotta get away“ sorgten dafür, dass mehr als 11 Millionen Tonträger über die Ladentische wanderten. „Self Esteem“ wurde in der Folge zur Hymne einer ganzen Generation, die zwar den Punk im Herzen trug, sich in den 1990er-Jahren aber musikalisch einfach nirgends zu Hause fühlen konnte.
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Platz 10: Walk Among Us – The Misfits
Sie dürfen sich mit Fug und Recht Vertreter des Horrorpunk nennen. Auch ihr Erstlingswerk konnte die Musikwelt auf Anhieb überzeugen und mit in ihre düsteren musikalischen Abgründe entführen.
Der Titel war vermutlich nicht ganz zufällig gewählt. „Walk Among Us“ fordert Mut und einen offenen Geist für Neues. Sensible und Feingeister sollten diesem Album lieber fernbleiben. Auch Kritiker verschonten das Album nicht. Den Abgesang der Orientierungslosigkeit nach dem Ende des Punk und der beginnenden 1980er-Jahre sei dem extrovertierten und launigen Meisterstück deutlich anzuhören.
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Platz 11: Damned Damned Damned – The Damned
Das erste Studioalbum der britischen Punker gilt heute ebenfalls als ein Meilenstein der Musikgeschichte. Erschienen im Jahr 1977 gelang es The Damned, den Zeitgeist der gesamten Generation Punk erstmals auf ein Studioalbum zu bannen. BBC Music lobte vor allem die musikalische Präzision, den Humor aber auch die Energie des Albums. Ein großes Kompliment war diese Feststellung jedenfalls, das nicht jeder Band zu dieser Zeit und aus diesem Genre zuteilwurde.
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Platz 12: Inflammable Material – Stiff Little Fingers
Die Punkrocker aus Nordirland schafften es mit „Inflammable Material“ auf Anhieb, ordentlich Staub aufzuwirbeln. Im Erscheinungsjahr 1979 waren politische Unruhen, soziale Ungerechtigkeit und Gewalt Themen, die den Nerv nicht nur im gespaltenen Irland trafen. Das Album erreichte aller politischer Querelen zum Trotz dennoch Platz 14 in den UK-Charts. Wut und Zorn der Band ist in jedem einzelnen Track deutlich zu hören, tut dem Hörerlebnis für alle Punk-Fans aber keinen Abbruch, im Gegenteil.
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Platz 13: The Undertones – The Undertones
Die nordirische Stadt Derry war 1978 alles andere als bereit für den Punk. Die Band bekam diese Ablehnung auch deutlich zu spüren, was sie jedoch nicht daran hinderte, ihre eindringliche und zutiefst kritische Botschaft in die Welt hinauszubrüllen. Konkret war die Band schon darauf gefasst, sich aufzulösen, als sich mit ihrem Debut-Album „Teenage Kicks“ und der gleichnamigen Single daraus doch noch ein unerwarteter Erfolg einstellte.
Es folgte 1979 das technisch wesentlich ausgereiftere Album „The Undertones“, welches sie postwendend als Vorgruppe von The Clash mit auf deren Tour brachte. Im Gegensatz zu anderen (nord)irischen Bands klammerten sie politische Themen aus ihren Songs grundsätzlich aus, was ihnen viel Kritik in der Heimat einbrachte. Aber gleichzeitig wagten es auch gerade deshalb wesentlich mehr Radiosender, ihre „ungefährlichen“ Punk-Hymnen zu spielen.
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Platz 14: Parallel Lines – Blondie
Unabhängig vom kommerziellen Erfolg, den Blondie durch die Jahrzehnte hindurch feiern konnten, war die Band ein Kind der Punk-Ära. Eine platinblonde, durchaus feminine Sängerin hatte die Welt zuvor allerdings noch nie den Punk so ästhetisch ansprechend die Bühne betreten sehen.
Das Album „Parallel Lines“ besticht mit eingängigen Rhythmen, musikalischer Perfektion und den typischen sozialkritischen Texten dieser Epoche. Das Cover erinnert mehr an ein Tanzschul-Foto der gediegenen 1950er-Jahre, was die perfekte Blendgranate für den explosiven Inhalt darstellt.
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Platz 15: Dookie – Green Day
Auch die amerikanischen Punkrocker Green Day schafften es mit ihrem dritten Studioalbum, in den schmutzigen Olymp der Punk-Ära aufzusteigen. Selbst ein Produkt der musikalisch eher unauffälligen 1990er-Jahre konnten Green Day mit „Dookie“ jedoch überzeugen. Mehr als 20 Millionen verkaufte Alben sprechen jedenfalls dafür. Inspiriert wurde die Band für dieses Album nach eigenen Angaben von The Jam, den Buzzcocks und Nirvana. Die Single „Basket Case“ wurde von den Lesern des Rolling Stone Magazine auf Platz 5 der besten Songs des Jahres 1994 gewählt.
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Platz 16: Fresh Fruit for Rotting Vegetables – Dead Kennedys
Das erste Studio-Album der Dead Kennedys aus dem Jahr 1980 schaffte, was kein anderes Punk-Album vorweisen konnte: Es wurde von profunden Kritikern in einem Atemzug mit den Sex Pistols und deren „Never mind the Bollocks“ genannt. Dieser Ritterschlag katapultierte die Dead Kennedys quasi über Nacht in die Charts und auch in die Herzen aller Punks aus Überzeugung.
Die Single „California über alles“ machte die Band und ihren einzigartigen Sound über Nacht berühmt, auch wenn sie – so wie die meisten Songs des Albums – mit einem kräftigen Augenzwinkern zu verstehen ist.
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Platz 17: Start Today – Gorilla Biscuits
Die Hardcore Band aus New York machte ihrem Image alle Ehre, als sie sich unmittelbar nach dem Erscheinen dieses Albums praktisch in Echtzeit wieder auflöste und für viele Jahre von der Bildfläche verschwand. „Start Today“ jedoch blieb und konnte musikalisch und inhaltlich den Zeitgeist wiedergeben, den die späten 1980er-Jahre musikalisch ansonsten nur schwer verdauen konnten. Der trashige Sound, der von Schlagzeug und Bass getrieben wird bis zur völligen Ekstase, gilt bis heute als Kult, auch wenn „Easy Listening“ sich deutlich anders anhört.
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Platz 18: No Control – Bad Religion
1980 in Los Angeles gegründet, läuteten Bad Religion schon bald eine neue Ära des Punk ein. Ihre bissigen und durch und durch sozialkritischen Texte passten zwar einerseits perfekt zum Zeitgeist. Die Musik hingegen wies immer wieder Passagen auf, die mit gefälligen Wiederholungen und fast melodisch klingenden Zeilen die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen wussten.
Das Album „No Control” war bereits ihr viertes Studioalbum, welches die Band 1989 veröffentlichte. Stilistisch bewegt sich „No Control“ näher am schnelleren und härteren Hardcore Punk und verschaffte der Band endlich erste Achtungserfolge innerhalb dieser schwer zu beeindruckenden Fangemeinde. Doch auch die Kritiker waren gnädig und stellten den insgesamt 15 Songs darauf ein durchwegs positives Zeugnis aus.
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Platz 19: Reinventing Axl Rose – Against Me!
Die Punk-Rocker aus Florida gelten als vielseitig und möchten eigentlich nicht so recht in eine stilistische Schublade passen. Die charismatische Frontfrau Laura Jane Grace prägt jeden Song mit ihrer eindrucksvollen Stimme und weiß, wie man Gänsehaut verbreitet. Allerdings dauerte es bis ins Jahr 2002, als ihr erstes Studio-Album mit dem vielversprechenden Titel „Reinventing Axl Rose“ veröffentlicht werden konnte. Die Hommage an den Guns’n Roses Frontman ist einer von 11 Songs, von denen jeder einzelne garantiert im Gedächtnis bleibt. Einige verwendete Sound-Elemente sind eindeutig dem Folk entliehen, weshalb das Album gerne als gelungenes Crossover von Punk und Folk bezeichnet wird.
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Platz 20: 13 Songs – Fugazi
Songs wie „Waiting Room“ prägen dieses Meisterstück des Hardcore Punk bis heute. Obwohl bereits in den 1980er-Jahren gegründet, bediente sich die Band eines Kampf-Jargons aus dem Vietnam-Krieg, um mit ihrem Namen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Fugazi war unter Soldaten ein Slang Ausdruck für: „Fucked up, got ambushed, zipped in“, was eine ausweglose Lage umschreiben sollte.
Alles andere als ausweglos hingegen war die Situation der Band nach dem Erscheinen von „13 Songs“. Das Album aus dem Jahr 1989 war als eine Art Best-of gedacht, lange bevor die Coolness des Punk so etwas wie eine Kompilation überhaupt erlaubte. Fugazi machte kommerziellen Erfolg salonfähig, auch wenn die Songs es zum überwiegenden Teil – ganz der Tradition des Punk geschuldet – bei weitem niemals waren und streng genommen auch bis heute noch nicht sind.
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