Vom ersten Augenblick an werden wir in Straw Zeuge von Janiyah Wiltkinsons größtem Trauma: dem Tod ihrer neugeborenen Tochter Aria. In der Eröffnungsszene verlässt Janiyah ein Hospitalzimmer, die leblosen Glieder des kleine Mädchens in ihren Armen. Für einen Moment wirkt es wie ein wiederkehrender Albtraum—nicht verwunderlich, denn Arias Frühgeburt und chronische gesundheitliche Probleme hatten Mutter und Kind immer wieder ins Krankenhaus geführt.
Das Ende von „STRAW“ erklärt
Das Schweigen der ungegessenen Mahlzeit
Wieder zurück in der Enge ihrer Wohnung, setzt Janiyah routiniert Wasser auf. Sie kocht zwei Portionen Instant-Nudeln— eine für Aria. Doch nur ein Teller verschwindet im Bauch der Mutter. Die zweite Schüssel bleibt unberührt auf dem Tisch stehen. Dieses stumme Zeugnis, eingefangen im Vorspann, offenbart die Kluft zwischen Janiyahs Innenwelt und der Realität: Aria ist nicht mehr da.
Schuldgefühle und Selbstvorwürfe
In den folgenden Szenen lassen uns Rückblenden und Einbildungen an Arias letzten Tag teilhaben: wie sie hungrig, mit leerem Schulbrotbeutel, auf den Pausenhof kommt; wie sie einen Sturz in der Badewanne erleidet—nur Stunden bevor sie einen tödlichen Anfall erleidet. Janiyah wiederholt diese Szenen in Endlosschleife, peinigt sich mit Schuldgedanken und wünscht sich insgeheim, sie hätte alles anders gemacht.
Die Illusion des nächsten Morgens
Getrieben von der Hoffnung, mit dem nächsten Gehaltsscheck einen Neuanfang wagen zu können, plant Janiyah ihre gewohnten Abläufe: Frühstück, Schulweg, Arbeit. Sie stellt sich vor, dass ein paar extra Dollars alles reparieren könnten—die Arztrechnungen, das Essensgeld in der Schule, ja sogar die arztbedingte Vernachlässigung. Besonders die Worte einer älteren Dame im Bankfoyer hallen in ihr nach: „Die Leute wissen gar nicht, wie teuer es ist, arm zu sein.“ Für Janiyah ist dieses Mantra zugleich Trost und Anklage.
Der finale Zusammenbruch
Da niemand von Aria weiß—weder der strenge Filialleiter Richard, noch die Vermieterin—lebt Janiyah in ihrer selbstgebauten Scheinwelt weiter. Doch als sie auf der verzweifelten Suche nach genau vierzig Dollar eine Waffe zieht und in die Bank stürmt, wird ihr Zerwürfnis mit der Realität sichtbar.
Mitfühlende Ermittlerinnen
Detective Kay Raymond und Bankleiterin Nicole Parker sind die einzigen, die Janiyahs Trauma durchschauen. Sie wissen bereits um Arias Tod und signalisieren ihren Kollegen, mit Fingerspitzengefühl vorzugehen. Die vermeintliche Bombe entpuppt sich als Attrappe, die Waffe jedoch ist real—die gleiche, mit der Janiyah zuvor Richard erschossen hat.
Das erzwungene Erwachen
Die Konfrontation mit dem FBI vor dem Zuhause ihrer Mutter lässt Janiyah endgültig in sich zusammenbrechen. Unter dem Druck, ihre Erinnerungen an die letzte Nacht mit Aria aufzufrischen, fleht sie darum, lieber selbst erschossen zu werden, als den Schmerz noch einmal durchleben zu müssen. Nur Raymonds und Parkers unerschütterliche Fürsorge verhindern ein noch tragischeres Ende.
Ein Blick in die Zukunft: Gerechtigkeit oder psychiatrische Unterbringung?
Janiyah steht nun vor Gericht: Wird man ihre Taten als Folge psychischer Ausnahmesituation werten und sie in psychiatrische Behandlung schicken? Oder wird sie für Richards Tod hinter Gitter geworfen? Die Welle der Solidarität, die sich um sie bildet, könnte ihr zumindest auf juristischer Ebene helfen.
Ein Appell an die Menschlichkeit
Straw zeichnet nicht nur das Bild einer einzelnen Mutter am Abgrund, sondern entlarvt das Versagen eines ganzen Systems: den abwesenden Vater, das knallharte Gesundheitswesen, eine schulische Schamkultur, ausbeuterische Chefs und vermietende Autoritäten—alle haben zu Janiyahs Fall beigetragen. Nur durch Empathie und gegenseitige Unterstützung, so die Botschaft, lassen sich solche Tragödien vielleicht verhindern.