Melancholische Musik: Warum mögen Menschen traurige Lieder?

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Traurigkeit wird auf der ganzen Welt als negative Emotion verstanden. Eigentlich sehnen wir uns, als psychisch gesunde Menschen, danach glücklich zu sein. Wie passt das damit zusammen, dass die meisten von uns gerne traurige Lieder hören und sie sogar genießen können? Lieder, die voll von seelischem Schmerz sind? Wissenschaftler haben lange gegrübelt und nach Gründen geforscht. Hier sind die Ergebnisse und Theorien:

Tipp:
Traurige Songs, die dich zum Weinen bringen

1. Nostalgie

Traurige Lieder sind starke Auslöser für nostalgische Erinnerungen an alte Zeiten. Wenn du dich also reflektiert mit deiner Vergangenheit – mit den schönen und wichtigen Momenten – beschäftigst, dann bekommst du gute Laune davon.

2. Die Hormone mal wieder

Traurige Musik steht in Verbindung mit dem Hormon Prolactin, was wiederum verbunden ist mit Weinen und der Bewältigung von Trauer. Jetzt bitte keinen Schock bekommen wegen der ganzen medizinischen Begriffen: Polaktin oder Prolactin (PRL), auch laktotropes Hormon (LTH), Laktotropin oder Lactotropin genannt, wird im Hypophysenvorderlappen des Gehirns gebildet und macht die Milchproduktion für das Stillen eines Babys möglich. Traurige Musik trickst unser Gehirn sozusagen dazu aus, das Hormon auszuschütten. Wenn du aber gar nicht traurig bist und in deinem Körper nun ein Mix aus unterschiedlichen beruhigenden Stoffen ohne Ziel rumschwirren, verursacht das ein Gefühl von Ruhe. Traurige Lieder machen uns also glücklich. Außerdem haben Studien gezeigt, dass bei trauriger Musik dieselben Hormone ausgeschüttet werden, die wir haben, nachdem wir ordentlich geheult haben. Ein Cocktail aus Hormonen, der uns ein Gefühl von Befreiung gibt. Es reicht anscheinend eine schon fiktionale Traurigkeit, um unseren Körper auszutricksen, diese Hormone auszuschütten.

Tipp:
Warum Musik dich glücklich macht - Darum ist Musik so wichtig!

3. Nachempfinden von Gefühlen

Musik beeinflusst unsere Emotionen, ohne dass der Inhalt des Textes irgendetwas mit unserem Leben und was darin gerade so geschieht zu tun hat. Sie hilft uns dabei unsere Frustrationen und negativen Gefühle wie Wut und Traurigkeit zu kanalisieren und reinigt uns sozusagen von diesen negativen Gefühlen. Und das alles ohne dabei selbst alles durchmachen zu müssen, worum es in dem Lied geht. Wir haben also eine tiefergreifende Begegnung mit unserem emotionalen Selbst.

4. Gute Laune durch die Melodie

Melancholische Musik führt dazu, dass du dich von den negativen Dingen des Lebens wie Tod, Liebeskummer, Misserfolg ablenkt. Anstatt dich zu sehr auf die traurigen Worte zu konzentrieren, gibt dir Musik die Möglichkeit, dich auf die schöne und beruhigende Melodie zu fokussieren.

5. Ausdrucksmöglichkeit

Traurige Texte, die etwas mit deiner eigenen Geschichte oder deinem aktuellen Gefühlszustand zu tun haben, geben dir die Möglichkeit deine Gefühle zu definieren und auszudrücken. Vielleicht konntest du das vorher nicht. Und weil es jetzt mit dem Lied geht, ist die traurige Musik wie Balsam auf der Seele für dich.

6. Mitgefühl

Traurige Musik löst in uns Mitgefühl aus gegenüber dem, was die Interpreten des Textes fühlt oder fühlen. Als soziale Wesen fühlen wir gerne mit anderen mit und helfe ihnen. Das gibt uns ein gutes Gefühl. Allerdings sind Menschen mit großer Empathie besonders für traurige Musik empfänglich. Das behaupten mehrere Theorien.

7. Ein imaginärer Freund

Musik schafft es Gemeinschaft herzustellen. Wir neigen meistens dazu, uns einen traurigen Song anzuhören, wenn wir unter emotionalem Stress leiden oder uns gerade einsam fühlen. Die traurige Musik kann zu einem imaginären Freund werden, der uns Mitgefühl vermittelt und uns unterstützt in schwierigen Zeiten und Situationen. Für einen Moment nehmen sie uns das Gefühl, ganz alleine und einsam zu sein. Wir fühlen uns verstanden.

8. Vom Typ Mensch anhängig

Eine Studie von dem Musik-Professor Tuomas Eerola von der Durham University hat gezeigt, dass Freigeister eher für traurige Balladen zu begeistern sind als reine Kopfmenschen, die viel Wert auf Regeln und Muster legen. „Systematiker“ hören lieber intensivere Musik wie Rock oder Punk. Bei manchen Menschen ist es so, dass sich ihr seelischer Schmerz, den sie wegen bestimmter persönlicher Erlebnissen haben, durch das Anhören von traurigen Liedern, noch viel schlimmer wird. Bei anderen ist es anders: Bei Ihnen weckte es ein Gefühl von Melancholie, eine Emotion, die man an einem verregneten Tagen hat, nachdem die Lieblings-Fußballmannschaft ein wichtiges Spiel verloren hat. Und so einen Moment kann man paradoxerweise auch gut feiern.

9. Nähe und Distanz

Der Schlüssel dafür, traurige Musik genießen zu können, liegt in der Fähigkeit, dass man einerseits mit der traurigen Musik mitfühlt, anderseits auch in der Lage ist, sich von dieser Traurigkeit und der Geschichte des Liedes auf eine gesunde Art und Weise emotional zu distanzieren.

Ja, viele Menschen mögen traurige Lieder. Aber wir mögen sie nicht alle gleich stark. Es kommt auf unsere Empathie und unsere jetzige Situation an und auf viele weitere Faktoren, die wir dir in diesem Artikel vorgestellt haben.

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Lisa Borch entdeckte früh ihre Leidenschaft für Musik und Filme und studierte Kommunikationswissenschaften und Medienkultur. Seit 2016 ist sie als Musik- und Filmredakteurin bei popkultur.de tätig und teilt gerne ihre Meinungen und Empfehlungen mit ihren Lesern.

E-Mail: lisa.borch@popkultur.de