Warum hat ein Klavier schwarze und weiße Tasten?

Eine vollständige Klaviertastatur besteht aus 88 Tasten. Davon 36 in schwarz und 52 in weiß.

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Die Tastatur eines Klaviers erscheint übersichtlich und die Tasten sind klar geordnet. Weiße Tasten liegen gleichmäßig nebeneinander. Darüber und ein wenig zurückgesetzt finden sich die schwarzen Tasten. Schwarze und weiße Tasten bezeichnet man auch als Ober- und Untertasten. Zur ersten Orientierung kann man sagen: Sie sind dazu da, die Töne zu finden. Gäbe es die Zweier- und Dreierblöcke schwarzer Tasten nicht, würde man weder die Töne noch die Oktaven unterscheiden können. Die schwarzen Tasten strukturieren also die Tastatur.

Oktaven und Tonleitern

Aus praktischen Gründen sind manche Tastaturen kürzer oder länger. Mit 88 Tasten verfügt die Klaviatur eines modernen Standardpianos über mehrere Oktaven. Die Oktave ist ein Intervall, das mit demselben Ton endet, mit dem es beginnt, nur eben in einer anderen Tonhöhe. Die Oktave umfasst sieben Töne auf weißen Tasten, die – hintereinander gespielt – eine Tonleiter ergeben. Dazwischen liegen fünf schwarze Tasten. Diese Töne sind auf einer Klaviatur mehrfach vorhanden. Wenn du die C-Tonleiter spielst, siehst du, dass diese jeweils eine Zweier- und eine Dreiergruppe umfasst.

Wo war noch mal …?

Klavier Tonleiter
Photo by Rukma Pratista on Unsplash
Suchst du nun beispielsweise auf der Klaviatur den Ton Fis, wärst du ohne schwarze und weiße Tasten aufgeschmissen. Auf der echten Klaviertastatur ist es dagegen ganz leicht: Das Fis findest du auf der ersten schwarzen Tastatur der Dreierblöcke. Noch besser: Wenn du genau hinschaust, siehst du, dass es mehrere Dreierblöcke mit schwarzen Tasten gibt. Und: Der erste Ton ist jedesmal ein Fis – und jedes Fis unterscheidet sich nur in der Tonhöhe von den anderen. So schnell findest du durch die schwarzen Tasten Orientierung. Du brauchst eigentlich nicht mal mehr hinschauen, wenn du das verstanden hast. Du kannst selbst mit geschlossenen Augen die Dreierblöcke ertasten und das Fis finden. Probiere es aus!

Suchbeispiele: B, Dis, As, C und F

An sich wissen die meisten Menschen, wie ein Klavier aussieht, und kennen die Bestandteile aus Schallkörper und Resonanzboden, Gussrahmen, Saiten, Pedalen und Hämmern aus Holz und Filz. Sicher weißt du auch, dass das Klavier eine Mechanik besitzt. Diese löst du durch das Drücken der Tasten aus. Die Tasten bewegen dann die Hämmer, welche die Saiten anschlagen. Stelle daher nun durch folgende Übungen sicher, dass du die Töne fast ohne nachzudenken findest. Mache dir zunächst die Unterschiede der Zweier- und Dreiergruppen klar; welche Töne enthalten sie? Suche:

Cis und Des
As und Gis
B und Ais

Ganz- und Halbtonschritte

Überlege dann, welche Töne auf den weißen und welche auf den schwarzen Tasten liegen. Nimm dir für den Anfang eine einfache Tonleiter, zum Beispiel C-Dur. Du wirst merken, dass du erstaunlicherweise dafür keine schwarzen Tasten brauchst.

C-Dur-Tonleiter: C, D, E, F, G, A, H, C

Auch in moll gibt es eine Tonleiter, die ganz ohne schwarze Tasten auskommt. Es ist die natürliche

a-moll-Tonleiter: a, h, c, d, e, f, g, a

Schwarze Tasten doppelt belegt

Noch etwas Erstaunliches wird dir vielleicht auffallen: Wenn du die oben aufgelisteten Töne auf den schwarzen Tasten gefunden hast, wirst du sehen, dass sie jeweils auf einer schwarzen Taste liegen: Cis und Des, As und Gis, B und Ais sind jeweils derselbe Ton. Für die Tastatur heißt das: Mit den schwarzen Tasten erzeugst du Halbtöne, diese sind einen halben Ton von der nächstliegenden weißen Taste entfernt. Die Tonintervalle allein zwischen schwarzen Tasten sind dann logischerweise wieder ganze Töne.

Ausnahmen im Tonleitergefüge

Gilt das für alle schwarzen Tasten? Nein. Darauf verweist schon die Einteilung in Zweier- und Dreiergruppen. Und auch die weißen Tasten liegen nicht alle im gleichen Abstand nebeneinander. Es gibt immer zwei weiße Tasten, neben denen eine schwarze Taste fehlt. Das sind die Tasten mit den Stammtönen E und F und mit den Stammtönen H und C. Weil zwischen E und F und zwischen H und C nur jeweils ein halber Ton liegt, kann dort keine schwarze Taste eingefügt werden.

Keine Harmonik ohne geschichtlichen Hintergrund

Dieser Aufbau des Tonraums ist im westlichen Kulturkreis das Ergebnis einer langen Geschichte, denn unsere Tonleitern leiten sich von den Kirchentonarten her. In anderen Kulturkreisen gelten andere Strukturen von Tonleitern. Und übrigens auch andere Tonintervalle. Die indische Musik beispielsweise kennt auch Vierteltöne als Intervalle. Und selbst in der dem Westen zugerechneten Jazz-Musik gibt es mit den Blues-Tonleitern und den darin enthaltenen Bluenotes andere Tonleitern.

Elfenbein und Ebenholz

Nun stellt sich aber doch eine wichtige Frage: Warum Schwarz? Rot oder intensives Pink, ein schönes Dunkelblau, Neongrün oder Türkis – es gibt eine Reihe von Farben, die man sich auch ganz eindrucksvoll auf der Tastatur vorstellen könnte. Schwarz und Weiß sind ein Überbleibsel der Tradition. Die Klaviertasten bestanden früher aus Ebenholz und Elfenbein. An alten Klavieren erkennt man das Material an der typischen Verfärbung. Elfenbein färbt sich mit den Jahren gelblich ein. Das Elfenbein stammte von Elefanten, aber auch von Nilpferd, Walross und selbst Mammut, das man in bestimmten Regionen noch aus konservierten Mammutfunden erhielt.

Artenschutz und synthetisches Elfenbein

Heutige Klaviere dürfen aus Gründen des Artenschutzes kein Elfenbein mehr enthalten. Die Beschichtung der weißen Tasten ist ein moderner, besonders harter Kunststoff. Doch vor Kurzem hat das in Stuttgart beheimatete Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart ein synthetisches Elfenbein hergestellt. Möglicherweise eine bahnbrechende Entwicklung für zukünftige Klaviertastaturen.

Ein Song über die Tastatur


Schwarze Tasten in Großaufnahme, davor Paul McCartney und Stevie Wonder: Der Song hieß „Ebony und Ivory“ (1982) und handelte erstaunlicherweise von der Klaviaturtastatur. Doch war der Text nicht mehrdeutig? Natürlich! Spielte er doch bereits mit dem Wort „Harmonie“ nicht nur auf das konkrete Nebeneinander schwarzer und weißer Tasten, sondern auch auf die Harmonielehre der Musik an. Und indem er eben von einem schwarzen und einem weißen Musiker gemeinsam performt wurde, enthielt er auch eine politische Botschaft. Denn eigentlich handelte er vom friedlichen Zusammenleben von Schwarzen und Weißen. Zumindest von der Vision. „Ebony and Ivory, live together in perfect harmony, side by side on my piano, oh Lord why don’t we?“. Der Song scheint vergessen, der Text hingegen aktueller denn je.

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Lisa Borch entdeckte früh ihre Leidenschaft für Musik und Filme und studierte Kommunikationswissenschaften und Medienkultur. Seit 2016 ist sie als Musik- und Filmredakteurin bei popkultur.de tätig und teilt gerne ihre Meinungen und Empfehlungen mit ihren Lesern.

E-Mail: lisa.borch@popkultur.de